Ein Leben für die Heimat
Unsere langjährige Vorsitzende des Heimatvereins Großerkmannsdorf e. V. Ilse Blochwitz wäre im Juli 2021 88 Jahre alt geworden.
Einsatz für Heimat und Naturschutz: Mit diesen Worten lässt sich das Lebenswerk von Ilse Blochwitz nur sehr allgemein umschreiben. Neben ihrer Verwurzelung mit ihrem Heimatort hatte sie nicht nur das Sammeln und Aufbewahren alter Gegenstände für die nachfolgenden Generationen im Fokus. Begriffe wie Heimat, Brauchtum, regionale Geschichte, Natur und Jagd in der Umgebung waren Themen, die sie akribisch aufzuarbeiten suchte.
So hatte sie auch die Frage, was Heimat für sie sei, wie folgt definiert: „Für mich ist Heimat die nächste Umgebung, wo ich geboren bin, wo ich in meinem Kenntniserwerb, Wissen und Handeln beeinflusst wurde.“ Sie bezog sich dabei auch auf ihre entbehrungsreiche Kindheit.
Viele von uns, die jetzt Eltern oder Großeltern sind, haben schon als Kinder Ilse Blochwitz als Lehrerin erlebt. Besonders, wenn sie in den Fächern Erdkunde oder Biologie die nähere Umgebung von Großerkmannsdorf sowie die heimische Pflanzen- und Tierwelt erläuterte. Dabei bezog sie immer, so wie sie es nannte, ihre Schüler mit ein. Auch außerhalb des Unterrichtes begeisterte sie ihre Schüler und Jugendlichen für Heimatkunde, Geschichte sowie für den Schutz von Natur und Umwelt. Es entstanden u. a. Sammlungen von Herbarien oder auch umfangreichere Arbeiten wie ein geografisch/geologischer Wanderführer für den Kreis Dresdener Land. Damit gab sie uns schon frühzeitig ein Heimatgefühl mit, obwohl man das damals noch gar nicht so erfasste. Auch wenn Ilse Blochwitz noch in anderen Schulen der Umgebung unterrichtete, blieb der Lebensmittelpunkt immer ihr Heimatort Großerkmannsdorf.
Ende der 1980er-Jahre konnte, maßgeblich durch ihr Wirken, das heimatliche Gesicht von Großerkmannsdorf durch eine neue Facette bereichert werden. Ausgehend von einem schulischen Projekt zur Gestaltung eines Dorfentwicklungskonzepts gründete sie mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Schülerinnen und Schüler im Jahre 1988 die erste Heimatstube, ein noch bescheidenes Heimatmuseum im Ortskern.
Das war zu jener Zeit ein mutiger Schritt, der auf so manchen Widerstand stieß. Wenn Ilse Blochwitz aber davon überzeugt war, das Richtige für ihr Heimatdorf zu tun, gab es für sie kein Hindernis. Sie kämpfte umso engagierter für das Erreichen ihrer Ziele.
Bald war die monatliche Öffnung der Heimatstube ein gesellschaftlicher Treffpunkt und leistete damit einen wertvollen Beitrag zur Identifikation der Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Heimatort.
Dass sie als Kind schon sehr früh in alle zum Überleben notwendigen Dinge des täglichen Lebens einbezogen wurde, hat ihr auch den Blick für das heute schon vergessene Tun und Handeln geschärft. Dies brachte sie auch stets liebenswert in Vorträgen und Führungen sowohl in der Heimatstube, als auch bei Exkursionen in die nahe Umgebung zum Ausdruck.
Mit Kindern zu arbeiten, war ihr auch außerschulisch ein stetes Bedürfnis. Spielerisch führte sie mit Vereinsmitgliedern das Leben von einst vor, butterte oder wusch Wäsche, wie es vor über 100 Jahren üblich war, mit Vorschulkindern. So ist es auch für uns eine Tradition, schon den Kleinsten das Leben vergangener Zeiten zu erläutern und mit Beispielen zu zeigen.
Ihr lebensnah und gründlich erworbenes Wissen war wohl auch die Basis, die Heimat verantwortungsvoll zu hegen und zu beschützen. „Am stärksten wächst das Heimatgefühl in der Gemeinschaft“, hat sie an anderer Stelle einmal aufgeschrieben. Nach den ersten freien Kommunalwahlen setzte sie sich als Gemeindevertreterin besonders für die Ortsumgestaltung und für den jährlichen Umwelttag ein.
1994 wurde der Heimatverein Großerkmannsdorf e. V. von engagierten Bürgern gegründet. Ilse Blochwitz übernahm von Beginn an den Vorsitz und übte diese Tätigkeit 18 Jahre mit großem Erfolg aus. In dieser Zeit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit engagierte sie sich in herausragendem Maße für unsere Heimat. Nur einige Beispiele sollen stellvertretend für ihr Engagement genannt sein. Die Baumpflanzaktion „Grünes Sachsen“ 1995 in unserem Ort war ein großer Erfolg. Im gleichen Jahr organisierte sie die Festwoche „100 Jahre Erbgericht“ mit der dieses Gebäude zum letzten Mal in seinem alten Glanz erscheinen konnte. Nur zwei Figuren daraus konnten gerettet werden und zieren heute unsere Heimatstube.
Kümmerte sie sich in ihrem Berufsleben um Kinder, so waren ihr aber auch die älteren Anwohner sehr wichtig. So wurde 1996 ein Seniorenprojekt vom Heimatverein gegründet. Mit den von da an monatlichen, für alle zugänglichen Veranstaltungen gelang es ihr, viele betagte Mitbürger in geselliger Runde zu vereinen. Diese ist auch heute noch von Bestand.
Eine umfangreiche Chronik, die 2003 anlässlich der Festwoche zur 650-jährigen Ortsgründung von Großerkmannsdorf erschien, ist inhaltlich Ilse Blochwitz und ihren Helfern vom Heimatverein zu verdanken. Der Abschied von der Heimatstube im Schulgebäude und der Umzug in das neue Dorfgemeinschaftshaus waren 2014 für sie eine große Herausforderung, denn es galt, die liebevolle Sammlung in kürzester Zeit zu verpacken und an neuer Stelle anders aufbereitet zu zeigen. Großen Anklang fand die Festveranstaltung mit einer Ausstellung zu „460 Jahre Schulbildung im Ort“ im Jahre 2015, welche die letzte von Ilse Blochwitz organisierte große Veranstaltung werden sollte.
Solange es ihre Kraft zuließ, hat sie sich nachhaltig für den Verein eingesetzt. Ihr Tun aber nur auf den Heimatverein zu beschränken, wäre etwas zu eng gesehen. Alles Leben im Ort war ihr wichtig. Sie nutzte ihre Kontakte, um den Gemeinschaftsgedanken für das Wohlfühlen im Ort zu fördern. So waren für sie das Großerkmannsdorfer Blasorchester, die Dorfweihnacht oder das Brückenfest, um nur einiges zu nennen, ein stetes Anliegen – ganz nach ihrer These, dass Gemeinschaft das Heimatgefühl nachhaltig beeinflusst.
Heimat ist nicht nur Vergangenheit und Tradition, sondern auch das Jetzt und Heute.
Natürlich blieb die unermüdliche Arbeit von Ilse Blochwitz für das Gemeinwohl von der Öffentlichkeit nicht unbemerkt und wurde deshalb gebührend gewürdigt. So wurde der Heimatverein unter Vorsitz von Ilse Blochwitz im Jahr 2002 von der Landrätin des damaligen Landkreises Kamenz für das Gesamtschaffen geehrt. Darüber hinaus ernannte sie das Großerkmannsdorfer Blasorchester zu ihrem Ehrenmitglied. Von der Stadt Radeberg erhielt sie eine Ehrenurkunde. Für ihre unermüdliche Arbeit im Dienste des Heimatvereins wurde Ilse Blochwitz im Jahr 2008 außerdem mit dem „Joker im Ehrenamt“ ausgezeichnet. Im November 2012 überreichte der damalige Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich, den Sächsischen Verdienstorden, die höchste staatliche Auszeichnung des Freistaates Sachsen, an Ilse Blochwitz.
Leider ermöglichte es ihr Gesundheitszustand in den letzten Jahren nicht mehr, sich so aktiv am Ortsgeschehen zu beteiligen. Umso größer war die Freude, als wir Ilse Blochwitz als Ehrengast zu unserem Jubiläumsfest „30 Jahre Heimatstube“ begrüßen konnten. Dort traf sie auch viele Freunde und Familien, denen sie in früheren Jahren als Weihnachtsmann oder als Kräuterfrau aus dem Karswald manche Überraschung bereitet hatte.
In Abgeschiedenheit aufgrund der Besuchssperre während der Coronapandemie ist Ilse Blochwitz am 13. Januar 2021 in Großröhrsdorf verstorben.
Ilse Blochwitz hat uns viel gelehrt und vorgelebt. Nun ist es an uns, dies zu bewahren und weiterzutragen. Wir werden ihr stets ein ehrendes Gedenken bewahren.
Nutzen Sie die Gelegenheit, wenn es wieder möglich sein wird, unsere Heimatstube zu besuchen, und schauen Sie sich das Lebenswerk von Ilse Blochwitz und deren Weiterführung an.
Dietmar Muschter und Bernd Voigtländer